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Gezielte RNA-Editierung als neue Alternative zur Genschere

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Die Entwicklung der CRISPR/Cas-Methode stellte eine Revolution für die gezielte Veränderung genetischer Information dar. Sie eröffnet eine Fülle von Möglichkeiten für die Grundlagenforschung und Gentherapie. Dabei werden Veränderungen an der DNA vorgenommen, was mit Risiken verbunden ist: Auch auftretende Fehler werden für immer im Genom gespeichert. Seit rund sieben Jahren arbeitet das Forscherteam von Professor Thorsten Stafforst am Interfakultären Institut für Biochemie der Universität Tübingen an einer risikoärmeren Alternative: an Methoden zur gezielten genetischen Veränderung der RNA-Ebene, der sogenannten RNA-Editierung. Sie machen sich dabei zunutze, dass die Information, die in der DNA von Zellen gespeichert wird, durch eine Arbeitskopie in Form von RNA weitergeleitet wird, die nach dem Gebrauch abgebaut wird. Wird die RNA verändert, dann bleibt die Originalinformation in der DNA erhalten. Jetzt ist es den Forschern gelungen, RNA-Moleküle in der Zelle mit höchster Effizienz und Präzision zu editieren. Die Ergebnisse wurden in der Fachzeitschrift Nature Methods vorgestellt.

 

Zellen kopieren die Erbinformation ihrer DNA, die in der Reihenfolge von vier verschiedenen Basen kodiert ist, in RNA-Moleküle um. Nach deren Bauanleitung werden unzählige Proteine in unterschiedlicher Zusammensetzung hergestellt. Diese wiederum dienen als Baustoffe in der Zelle und steuern den Stoffwechsel. „Unsere Methode der RNA-Editierung beruht auf einem Proteinkonstrukt, das mit Hilfe einer kleinen Führungs-RNA zum RNA-Zielmolekül gelangt und dort einzelne Basen umwandelt. So wird die Bauanleitung des kodierten Proteins umgeschrieben“, erklärt Thorsten Stafforst. Die Manipulation der RNA lasse sich fein regulieren und sei grundsätzlich reversibel – was die Methode vor allem auch für medizinische Therapien interessant mache.

Zeitlich begrenzte Manipulationen

„Mit dem neuen Werkzeug lässt sich potenziell eine Vielzahl an krankheitsverursachenden Mutationen rückgängig machen“, sagt der Wissenschaftler. Die zeitlich begrenzte Veränderung in der RNA erlaube es auch, in Signalwege zum Beispiel von Entzündungsprozessen einzugreifen, deren dauerhafte Manipulation schwerwiegende Folgen hätte. „Uns ist es bereits gelungen, gleichzeitig mehrere RNAs zu editieren, die Signalproteine kodieren“, erklärt Stafforst. Die Arbeitsgruppe zeigte, dass die Methode doppelt so effizient ist wie eine zuvor veröffentlichte Methode zur RNA-Editierung, die auf einer Variante der CRISPR/Cas-Methode beruht.

 

Gemeinsam mit der Arbeitsgruppe von Professor Jin Billy Li an der Stanford University belegten die Tübinger Forscher, dass bei ihrer neuen Methode nur wenige Fehler passieren, die in der Studie weiter minimiert werden konnten. Im Ergebnis sei die Methode hoch effizient bei der Editierung und dennoch vielfach spezifischer als konkurrierende Methoden, sagt Stafforst. Die erzielten Fortschritte stellten allerdings erst den Anfang dar, um die Methode für Grundlagenforschung und Medizin nutzbar zu machen. „In Zukunft möchten wir auf die Proteinkonstrukte völlig verzichten und stattdessen auf die natürlich vorkommenden Enzyme zurückgreifen, um diese für die gerichtete RNA-Editierung einzuspannen“, gibt Stafforst Einblick in das weitere Vorgehen. Auf die neue Methode hat das Forscherteam ein Patent angemeldet.

Publikation:

Vogel, P., Moschref, M., Li, Q., Merkle, T., Selvasaravanan, K. D., Li, J. B. & Stafforst,T. Efficient and precise editing of endogenous transcripts with SNAP-tagged ADARs. Nat. Methods 15, 535–538(2018).

https://doi.org/10.1038/s41592-018-0017-z

Kontakt:

Prof. Dr. Thorsten Stafforst

Universität Tübingen

Interfakultäres Institut für Biochemie

Telefon +49 7071 29-75376

thorsten.stafforst@uni-tuebingen.de

 

 
Eberhard Karls Universität Tübingen
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Dr. Karl Guido Rijkhoek
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Janna Eberhardt
Forschungsredakteurin
Telefon +49 7071 29-77853
Telefax +49 7071 29-5566
janna.eberhardt[at]uni-tuebingen.de

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Auge in Auge mit winzigen Fischen

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Zebrafische gehören erst seit kurzem zu den wichtigsten Tiermodellen der neurowissenschaftlichen Forschung. Laboreinrichtung und Software zur Analyse ihres Verhaltens sind daher oft extrem spezialisiert und teuer. Neurobiologen vom Werner Reichardt Centrum für Integrative Neurowissenschaften (CIN) der Universität Tübingen haben nun eine einfach zu bedienende Software entwickelt und stellen diese frei und im Quellcode zur Verfügung: Das Programm erlaubt den Einsatz zahlreicher Untersuchungsansätze und verschiedenster Hardware-Komponenten in Verhaltensexperimenten zu Augenbewegungen von Zebrafischen. Die Software ‚ZebEyeTrack’ und ihre Anwendungsbereiche stellen die Wissenschaftler im Nature-Tochterjournal Nature Protocols vor.

 

Was haben die nur wenige Millimeter langen, glasartig durchsichtigen Larven eines südasiatischen Zierfisches mit Menschen gemeinsam? Auf den ersten Blick nicht viel, und doch gelten die Larven des Zebrabärblings (auch Zebrafisch genannt) als mit am besten geeignet, um grundlegende Mechanismen unserer Wahrnehmung zu erforschen. Ein Beispiel ist die Steuerung des Auges, dessen Ausrichtung auf großflächige, bewegte Sehreize bei Zebrafischlarven ganz ähnlich funktioniert wie bei uns Menschen.

 

Wer im Detail wissen will, wie ein Fisch sieht, benötigt dazu eine äußerst aufwändige Laborausrüstung – nicht untypisch für die Lebens- und Naturwissenschaften. Dazu gehören Softwarelösungen, mit deren Hilfe sich zahlreiche Parameter erfassen und messen lassen. Dafür können sich Forschende einer kommerziellen Software für die Verfolgung von Fischaugenbewegungen bedienen, die aber selten auf die speziellen Fragestellungen eines Projekts ausgerichtet ist und deren Kauf kostspielig sein kann – oder aber das Labor entwickelt eine eigene Softwareanwendung, was entsprechende Programmierfähigkeiten voraussetzt und oft mit jahrelangem Aufwand einhergeht.

  

Bereits während seiner Doktorarbeit entschied sich der Neurobiologe Aristides Arrenberg deshalb dafür, selbst eine Software zu entwickeln, die den Ansprüchen seiner Arbeit genügte. Seine Forschergruppe am Tübinger CIN arbeitet mit einer über die Jahre immer wieder überholten und erweiterten Version dieser Software, die inzwischen viel dazu gelernt hat: So kann sie individuell gestaltbare Lichtreize steuern, die den Fischlarven präsentiert werden, und die resultierenden Augenbewegungen automatisch erkennen, verfolgen, aufzeichnen und in Echtzeit nach verschiedensten Kriterien analysieren. Dazu kommen Plugins für Laser- und Mikroskopeinsatz sowie eine einfach zu bedienende grafische Benutzeroberfläche. Um anderen Laboren weltweit den Einstieg in Experimente zur Funktion des Zebrafisch-Sehsystems zu erleichtern, hat die Forschergruppe die Software – mittlerweile auf den Namen ‚ZebEyeTrack’ getauft – nun allgemein zugänglich gemacht. Die Software kann auf zebeyetrack.com ohne Installation direkt getestet oder auch heruntergeladen werden und wird in Nature Protocols von den Autoren beschrieben.

 

„Wir wissen, dass Forschende weltweit sehr unterschiedliche Ansprüche an solch eine Software haben. Daher machen wir auch den Quellcode verfügbar, so dass unsere Lösung schon mit ein wenig Programmierkenntnis individuell angepasst werden kann“, erklärt Florian Dehmelt, der die (vorerst) finale Version programmierte. Gruppenleiter Arrenberg fügt hinzu: „Mit ZebEyeTrack verstehen wir uns als Teil der Open-Source-Bewegung. Wir hätten vermutlich auch ein Patent anmelden und ZebEyeTrack kommerziell vertreiben können. Aber daran haben wir kein Interesse – damit würden wir ja genau dem Problem Vorschub leisten, das wir selbst einmal hatten.“

 

Aufbau eines Experiments: Die Petrischale mit Zebrafischlarven wird unter einem Stereomikroskop platziert, umgeben von vier Bildschirmen, auf denen visuelle Reize präsentiert werden. Abbildung: Aristides Arrenberg


Die Augenbewegungen der Fischlarven werden aufgezeichnet. Abbildung: Aristides Arrenberg


Die Augenbewegungen der Fischlarven werden aufgezeichnet. Abbildung: Aristides Arrenberg

 

Publikation:

Florian A. Dehmelt, Adam v. Darányi, Claire Leyden, Aristides B. Arrenberg: Evoking and Tracking Zebrafish Eye Movement in Multiple Larvae with ZebEyeTrack. In: Nature Protocols (im Druck).

doi: 10.1038/s41596-018-0002-0

Autorenkontakt:

Aristides Arrenberg

Werner Reichardt Centrum für Integrative Neurowissenschaften (CIN)

Telefon +49 7071 29-88798

aristides.arrenberg[at]uni-tuebingen.de

Pressekontakt CIN:

Dr. Paul Töbelmann

Universität Tübingen

Wissenschaftskommunikation

Werner-Reichardt-Centrum für Integrative Neurowissenschaften (CIN)

Otfried-Müller-Str. 25 ∙ 72076 Tübingen

Telefon +49 7071 29-89108

paul.toebelmann[at]cin.uni-tuebingen.de

 

www.cin.uni-tuebingen.de

 

Die Universität Tübingen

 

Die Universität Tübingen gehört zu den elf deutschen Universitäten, die als exzellent ausgezeichnet wurden. In den Lebenswissenschaften bietet sie Spitzenforschung im Bereich der Neurowissenschaften, Translationalen Immunologie und Krebsforschung, der Mikrobiologie und Infektionsforschung sowie der Molekularbiologie. Weitere Forschungsschwerpunkte sind Maschinelles Lernen, die Geo- und Umweltforschung, Archäologie und Anthropologie, Sprache und Kognition sowie Bildung und Medien. Mehr als 27.700 Studierende aus aller Welt sind aktuell an der Universität Tübingen eingeschrieben. Ihnen steht ein Angebot von rund 300 Studiengängen zur Verfügung – von der Ägyptologie bis zu den Zellulären Neurowissenschaften.

 

Werner Reichardt Centrum für Integrative Neurowissenschaften (CIN)

 

Das Werner Reichardt Centrum für Integrative Neurowissenschaften (CIN) ist eine interdisziplinäre Institution an der Eberhard Karls Universität Tübingen, finanziert von der Deutschen Forschungsgemeinschaft im Rahmen der Exzellenzinitiative von Bund und Ländern. Ziel des CIN ist es, zu einem tieferen Verständnis von Hirnleistungen beizutragen und zu klären, wie Erkrankungen diese Leistungen beeinträchtigen. Das CIN wird von der Überzeugung geleitet, dass dieses Bemühen nur erfolgreich sein kann, wenn ein integrativer Ansatz gewählt wird.

 

 

Eberhard Karls Universität Tübingen
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Antje Karbe
Pressereferentin
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Einblicke in aktuelle Forschungen bei der Sommeruniversität 2018

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Zur Tübinger Sommeruniversität öffnet die Universität wieder ihre Tore für alle, die Einblick in aktuelle Forschungsprojekte nehmen möchten. In den ersten beiden Augustwochen berichten zehn Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler über neue Erkenntnisse unter anderem aus den Bereichen Gesundheit, Geschichte, Biologie und Sport.

 

Professorin Regina Ammicht-Quinn eröffnet die Vortragsreihe mit einer Vorlesung über den Streit um die Genderdebatte zwischen Populismus und #MeToo und überlegt, wie eine „Ethik der Geschlechter“ gestaltet werden könnte. Weitere Themen sind die Herausforderungen für Menschen, die  Deutsch als Zweit- oder Fremdsprache lernen, die Zusammenhänge von (Bauch-)Schmerzen mit Stress, der Einfluss von Klima- und Umweltveränderungen auf Wanderungsbewegungen unserer Vorfahren, philosophische Anmerkungen zur europäischen Identität, Sicherheit in Bahnhofsvierteln, Fußball 4.0, unbekannte Orte der Weltgeschichte, die Teilung von Pflanzenzellen und die Chancen des demografischen Wandels.

 

Vom 30. Juli bis zum 10. August 2018 gibt es jeden Werktag einen Vortrag. Er beginnt jeweils um 10.15 Uhr im Hörsaal des Theologicums (Dauer 45 Minuten; Adresse: Liebermeisterstraße 16, 72074 Tübingen). Anschließend kann das Publikum mit den Expertinnen und Experten über ihre Forschungsfragen diskutieren und eigene Fragen stellen. Die Vorträge sind in einer allgemein verständlichen Sprache gehalten. Die interessierte Öffentlichkeit ist herzlich eingeladen. Der Eintritt ist frei, eine Anmeldung nicht notwendig.

 

Die Sommeruniversität wird seit 2004 gemeinsam von der Universitätsstadt Tübingen und der Universität Tübingen veranstaltet. Sie ist Teil des Tübinger Kultursommers: Sommernachtskino, Stadtführungen, das Sommertheater, der umbrisch-provenzalische Markt und 2018 auch das Bachfest laden ein, den Sommer in Tübingen zu genießen, Neues zu entdecken und Bekanntes mit anderen Augen zu sehen.

 

Ein Programmheft liegt ab sofort an vielen öffentlichen Stellen aus und ist im Internet zu finden unter www.uni-tuebingen.de/de/39634

Kontakt:

Susanne Zahn

Universität Tübingen

Hochschulkommunikation

Telefon +49 7071 29-76724

Susanne.Zahn[at]uni-tuebingen.de

 

 

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Neue Expertise zur Künstlichen Intelligenz

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Die Universität Tübingen baut ihre Expertise im Bereich der Künstlichen Intelligenz weiter aus: Fünf neue Professuren wurden mit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern besetzt, die im Bereich des Maschinellen Lernens forschen. Im Fachbereich Informatik untersucht Andreas Geiger, wie Computer lernen können, ihre Umgebung wahrzunehmen und zu interpretieren – unter anderem arbeitet er daran, selbstfahrende Autos besser, sicherer und intelligenter zu machen. Philipp Hennig erforscht, wie Rechenalgorithmen effizienter und anwenderfreundlicher gestaltet werden können und wie sich Fehler im System einer Künstlichen Intelligenz kontrollieren lassen. Michael Krone arbeitet daran, die Visualisierung großer Datenmengen in den Lebenswissenschaften zu optimieren. Anna Levina untersucht, wie sich neuronale Prozesse organisieren und entwickelt Instrumente, mit denen sich ihre Rechenfähigkeiten überprüfen lassen. In der Medizinischen Fakultät arbeitet Philipp Berens daran, Maschinelle Lernalgorithmen für die klinische Diagnostik einzusetzen, insbesondere bei Augenerkrankungen.

 

„Wir freuen uns, dass wir diese exzellenten jungen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler für die Universität Tübingen gewinnen konnten“, sagt Professor Bernd Engler, Rektor der Universität Tübingen. „Die Vision des Cyber Valley bekommt damit ein Gesicht und sehr konkrete Aufgabenstellungen im Bereich des Maschinellen Lernens, die hier künftig bearbeitet werden.“

 

„Im Cyber Valley wächst zusehends die internationale Anziehungskraft“, sagt Wissenschaftsministerin Theresia Bauer. „Die herausragenden Talente, die die Universität Tübingen nun gewinnen konnte, belegen, dass wir zügig von der Idee in die Umsetzung kommen: Die Region Stuttgart-Tübingen international zu einem Schwergewicht im Bereich der Künstlichen Intelligenz zu machen. Das Wissenschaftsministerium unterstützt diese Entwicklung nach Kräften.“

Die Neuberufenen in alphabetischer Reihenfolge:

 

Philipp Berens (geb. 1981) wurde im April 2018 auf die Heisenberg-Professur für „Data Science in der Sehforschung“ am Forschungsinstitut für Augenheilkunde der Medizinischen Fakultät berufen. Er war dort bereits seit 2016 Leiter der gleichnamigen Forschungsgruppe und ist Mitglied des Tübinger Exzellenzclusters Werner Reichardt Centrum für Integrative Neurowissenschaften (CIN).

 

Philipp Berens hat Bioinformatik und Philosophie an der Universität Tübingen studiert. Er forschte als Doktorand am Tübinger Max Planck Institut für biologische Kybernetik und am Baylor College of Medicine in Houston (USA) und wurde 2013 an der International Max Planck Research School in Tübingen zum Thema „Neuronale Codierung im visuellen Kortex“ promoviert. Als Postdoktorand forschte er am Bernstein Center for Computational Neuroscience im Labor von KI-Forscher Matthias Bethge an der Universität Tübingen, zudem war er Postdoktorand am Baylor College. 2015 erhielt er den Bernstein-Preis des Bundeforschungsministeriums, den weltweit höchstdotierten Nachwuchsförderpreis.

 

Als „Data Scientist“ untersucht Berens im Forschungsinstitut für Augenheilkunde die neuronalen Schaltkreise der Netzhaut. Er möchte die Prinzipien neuronaler Berechnungen beim Sehen entschlüsseln und zudem verstehen, wie die Arbeit der Nervenzellen im Auge bei Krankheiten beeinträchtigt wird. Seine Forschungsgruppe entwickelt Maschinelle Lernalgorithmen, die in der klinischen Diagnostik solcher Krankheiten eingesetzt werden können. „Sowohl in der Grundlagenforschung als auch in der klinischen Diagnostik gibt es zunehmend komplizierte, multimodale Daten-sätze: Diese kombinieren unterschiedliche Datentypen, beispielsweise aus der Physiologie, Anatomie oder Genetik. Die Zusammenführung der Datentypen stellt uns noch vor große Herausforderungen", erklärt er. Foto: Friedhelm Albrecht

 

 

Andreas Geiger (geb. 1982) wurde zum März 2018 auf die Professur für „Lernbasierte Computer Vision“ im Fachbereich Informatik berufen. Er war seit 2016 am Max Planck Institut für Intelligente Systeme in Tübingen Leiter der Forschungsgruppe Autonomes Maschinelles Sehen.

 

 Andreas Geiger hat am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) Informatik und Mathematik studiert. Während seines Studiums absolvierte er Forschungssemester an der Ecole Polytechnique Fédérale in Lausanne (Schweiz) und am Massachusetts Institute of Technology (USA). 2013 wurde er am KIT zum Thema „Probabilistic Models for 3D Urban Scene Understanding from Movable Platforms“ promoviert. Im Anschluss forschte er am MPI für Intelligente Systeme in der Abteilung „Perzeptive Systeme“ und wurde 2016 sowohl zum Max-Planck Gruppenleiter als auch zum Gastprofessor an die ETH Zürich berufen.

 

Er erforscht unter anderem, wie sich Vorwissen in Computer-Algorithmen integrieren lässt, damit diese auf Situationen in einer komplexen 3D-Welt reagieren können. Wie erkennt der Bord-Computer eines selbstfahrenden Autos Fußgänger oder geparkte Autos? Seine Forschungsgruppe entwickelt hierfür Algorithmen, die lernen, aus großen Datenmengen Rückschlüsse über Situationen und das Verhalten anderer Verkehrsteilnehmern zu ziehen: So sollen selbstfahrende Autos in der Lage sein, Entfernungen zu berechnen, Objekte zu erkennen, Bewegungen zu deuten und zweidimensionale Bilder in dreidimensionale Szenen zu verwandeln.  Foto: Friedhelm Albrecht

 

Philipp Hennig (geb. 1980) wurde zum Mai 2018 auf die Professur für „Methoden des Maschinellen Lernens“ im Fachbereich Informatik berufen. Er hat Physik an der Universität Heidelberg und am Imperial College in London studiert und wurde 2011 an der Universität Cambridge zum Thema „Approximate Inference in Graphical Models“ promoviert.

 

Seit 2011 forscht er am Tübinger Max Planck Institut für Intelligente Systeme und war zunächst in der Abteilung „Empirische Inferenz“ des KI-Forschers Professor Bernhard Schölkopf tätig. Seit 2015 leitete er eine eigene Forschungsgruppe, mit der er das Konzept der „Probabilistischen Numerik“ etabliert hat, einer mathematischen Theorie der Unsicherheit in Computerberechnungen. Die Gruppe untersucht unter anderem, wie schnelle und stark vereinfachte Rechenschritte zur Lösung eigentlich aufwändiger Rechenaufgaben beitragen können und wie Computer über die Effekte von Rechenfehlern und Vereinfachungen „Buch halten“ können.

 

An der Universität Tübingen erforscht er Rechenalgorithmen für die künstliche Intelligenz. „Lernende Maschinen haben in der jüngsten Vergangenheit Beeindruckendes vollbracht“, sagt Hennig. „Aber sie gehen derzeit verschwenderisch mit Ressourcen um. Reiche Internet-Firmen können sich die nötigen Großrechner und hochbezahltes Personal als Aufpasser leisten. Um Maschinelles Lernen auch für Klein- und Mittelständler und in Bereichen wie dem Maschinen- und Fahrzeugbau oder auf Mobiltelefonen in der Breite nutzbar zu machen, müssen Algorithmen schneller, zuverlässiger und anwenderfreundlicher werden. Dazu gehört Kontrollierbarkeit: Wenn eine KI-Komponente eines komplexen Gesamtsystems aus dem Ruder läuft, muss irgendwo eine rote Lampe aufleuchten.“ Mit Mitteln aus einem ERC-Grant der Europäischen Kommission erforschen Hennigs Mitarbeiter zum Beispiel Methoden, mit denen sich das „Training“ lernender Computerprogramme automatisieren und überwachen lässt. Foto: Friedhelm Albrecht

 

Michael Krone (geb. 1983) wurde zum Mai 2018 im Fachbereich Informatik auf die Juniorprofessur für „Visuelle Big Data Analytik“ in den Lebenswissenschaften berufen. Er war seit 2016 als Postdoktorand am Visualisierungsinstitut der Universität Stuttgart tätig.

 

Michael Krone hat an der Universität Stuttgart Informatik studiert. Als Doktorand forschte er den Universitäten Stuttgart und Illinois (USA) und wurde 2015 zum Thema „Interactive Visual Analysis of Biomolecular Simulations“ promoviert. Neben seiner Forschung als Postdoktorand hatte er unter anderem Lehraufträge an der LMU München inne.

 

Sein Schwerpunkt liegt im Bereich Visual Analytics, zu dem die graphische Darstellung von Daten (Visualisierung), die Daten-Analyse und Mensch-Maschine-Interaktionen, wie beispielsweise an Benutzeroberflächen, gehören. Er beschäftigt sich besonders mit der Visualisierung molekularer Daten und Simulationen im Bereich der Lebenswissenschaften. Künftig wird er beispielsweise in einem DFG-Forschungsprojekt neue Methoden entwickeln, um Daten aus Simulationen von Protein-Interaktionen für Anwender besser begreifbar zu machen. Unter anderem setzt er hier Methoden aus dem Bereich des Maschinellen Lernens zur Datenanalyse ein. Foto: Ulrich Metz / Universität Tübingen

  

Anna Levina (geb. 1981) wurde zum Juli 2018 auf die Juniorprofessur für „Kritikalität und Optimalität in Neuronalen Systemen“ im Fachbereich Informatik berufen. Sie hat an der Universität St. Petersburg Mathematik studiert und wechselte 2004 an die Universität Göttingen, wo sie 2008 zum Thema „Identification in Mathematical Models“ promoviert wurde. Als Postdoktorandin forschte sie am Göttinger Max-Planck-Institut für Dynamik und Selbstorganisation und ab 2011 am Max-Planck-Institut für Mathematik in den Naturwissenschaften in Leipzig.

 

Von 2015 bis 2017 war Anna Levina Fellow am Institute of Science and Technology in Klosterneuburg, Österreich. Seit April 2017 arbeitet sie im Bereich der computergestützten Neurowissenschaften an der Universität Tübingen, am Bernstein Center for Computational Neuroscience und am Max-Planck-Institut für biologische Kybernetik Tübingen. 2017 erhielt sie mit dem Sofja Kovalevskaja-Preis der Humboldt-Stiftung eine der höchstdotierten wissenschaftlichen Auszeichnungen Deutschlands.

 

Ihr Forschungsinteresse konzentriert sich auf die Prinzipien, die hinter Organisation und Mechanismen neuronaler Vorgänge stehen: Wie entsteht bei Milliarden von Neuronen eine bestimmte Verdrahtung im Gehirn? Wie kann sich diese Struktur mit einer ihr eigenen Dynamik entwickeln? Und wie werden Informationen optimal von einer Gehirnstruktur in eine andere übertragen? Diese und ähnliche Fragen stehen im Fokus von Levinas Forschung. Die Mathematikerin wird Instrumente und Modelle für die Datenanalyse entwickeln, mit denen sich neuronale Zustände und ihre Rechenfähigkeiten untersuchen lassen. Die Ergebnisse könnten Wege für die Optimierung künstlicher neuronaler Netzwerke eröffnen. Foto: Friedhelm Albrecht

 

Die Universität Tübingen hat weitere Professuren Bereich „Maschinelles Lernen“ geschaffen. Veröffentlichte Meldungen hierzu:

  

 

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Antje Karbe
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Tübinger Ägyptologen entdecken vergoldete Mumienmaske

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Wissenschaftler der Universität Tübingen haben im ägyptischen Sakkara eine vergoldete Mumienmaske aus saitisch-persischer Zeit (664-404 v. Chr.) entdeckt. Wie der Leiter des deutsch-ägyptischen Teams, Dr. Ramadan Badry Hussein, am Samstag berichtete, wurde die Maske in einer ausgedehnten Grabanlage gefunden, die seit 2016 von Tübinger Ägyptologen mit neuesten Methoden untersucht wird. Nach dem Ergebnis einer ersten Untersuchung im Ägyptischen Museum in Kairo besteht die Maske aus Silber und ist teilweise vergoldet. Die Augen wurden als Einlegearbeit mit einem schwarzen Edelstein (möglicherweise Onyx) sowie Calcit und Obsidian ausgeführt. 

 

„Der Fund dieser Maske darf als Sensation gelten“, sagte Hussein: „Nur sehr wenige Masken aus Edelmetall haben sich bis heute erhalten, weil die Mehrzahl der Gräber altägyptischer Würdenträger schon in der Antike geplündert wurden.“ Wie der Leiter des Projekts berichtete, befand sich die wertvolle Maske auf dem Gesicht einer Mumie, die in einem stark beschädigten Holzsarg entdeckt wurde. Die erhalten gebliebene Verzierung des Sarges lässt darauf schließen, dass es sich bei dem Toten um einen Priester der Göttin Mut und der Göttin Niut-schi-es handelte, der zur Zeit der 26. Dynastie lebte. Der Fund wurde am Samstag von Wissenschaftlern und Vertretern des ägyptischen Antikenministeriums der Öffentlichkeit präsentiert. 

 

„Altägyptische Totenmasken aus Gold und Silber sind außerordentlich selten“, sagte Professor Christian Leitz, Leiter der Abteilung für Ägyptologie an der Universität Tübingen: „Belegt sind lediglich zwei weitere vergleichbare Funde aus Privatgräbern, der letzte davon im Jahr 1939.“ Selbst in den ägyptischen Königsgräbern seien von Wissenschaftlern nur sehr wenige Mumienmasken aus Edelmetall gefunden worden. Ein Großteil der Masken sei zuvor bereits von Grabräubern entwendet und anschließend vermutlich eingeschmolzen worden. 

 

Der Grabkomplex, der seit 2016 von Tübinger Ägyptologen untersucht wird, besteht aus mehreren, teils über dreißig Meter tiefen Schachtgräbern. Über einem der Hauptschächte fanden die Wissenschaftler unter anderem die Reste eines rechteckigen Gebäudes aus Lehmziegel und Kalksteinblöcken, das wohl als Werkstatt zum Einbalsamieren der Verstorbenen diente. Innerhalb des Gebäudes fanden sich zwei große Becken, die vermutlich einerseits zur Verarbeitung von Natron zur Trocknung der Körper und andererseits zur Vorbereitung der Leinenbinden für die Mumifizierung dienten. Ebenfalls auf den Prozess der Balsamierung deuten Gefäße hin, die mit den Namen von Ölen und Substanzen beschriftet sind, die für die Mumifizierung notwendig waren. 

 

In den Seitenwänden und am Boden des Schachtes konnten eine ganze Reihe von unberührten Grabkammern entdeckt und geöffnet werden. Neben Mumien und Sarkophagen traten eine Vielzahl von Objekten zu Tage, unter anderem ganze Sätze von leuchtendblauen Fayence Statuetten – den sogenannten Uschebtis und Kanopen aus Alabaster, in denen die Organe der einbalsamierten Toten aufbewahrt wurden. 

 

Bei der Untersuchung der Nekropole von Sakkara setzen die Tübinger Wissenschaftler auf den Einsatz modernster Technologie für die Dokumentation und Erfassung der gesamten Anlage. So ist das eScience-Center der Universität Tübingen unter der Leitung von Dr. Matthias Lang für die vollständige hochpräzise 3D-Dokumentation der Anlage sowie der bedeutenden Objekte verantwortlich. Eine Kombination von Laserscanning und bildbasierten 3D-Verfahren machen die räumlichen Zusammenhänge der räumlich hochkomplexen Gräber erstmals sichtbar und analysierbar. 

 

Das Projekt wird aus Mitteln der Deutschen Forschungsgemeinschaft finanziert. 

Bildunterschrift: Die unterirdische Grabanlage in Sakkara (Ägypten). Fundort der Mumienmaske. 3D-Laserscan: eScience Center, Universität Tübingen.  

Bildunterschrift: Die Sakkara-Maske des Zweiten Priester der Göttin Mut und der Göttin Niut-schi-es. Foto: Universität Tübingen / Ramadan B. Hussein. 


Bildunterschrift: Die Sakkara-Maske des Zweiten Priester der Göttin Mut und der Göttin Niut-schi-es. Foto: Universität Tübingen / Ramadan B. Hussein. 

Bildunterschrift: Entdeckung der Sakkara-Maske auf dem Gesicht der Mumie des Zweiten Priesters der Göttin Mut und der Göttin Niut-schi-es. Foto: Universität Tübingen / Ramadan B. Hussein.

Bildunterschrift: Die Sakkara-Maske wird vorsichtig freigelegt. Foto: Universität Tübingen / Mostafa Tolba. 


Bildunterschrift: Dr. Ramadan Badry Hussein. Foto: Universität Tübingen / Christoph Jäckle. 

Bildunterschrift: Dr. Ramadan Badry Hussein. Foto: Universität Tübingen / Christoph Jäckle. 

Ein Video zum Fundort in Sakkara finden Sie hier:

www.youtube.com/watch;
Bitte bei Verwendung Quelle angeben: eScience Center / Universität Tübingen


Kontakt:

Dr. Ramadan Badry Hussein
Universität Tübingen
Institut für die Kulturen des Alten Orients
Telefon:  +49 175 8459273 (Deutschland)
               +20 1156425554 (Ägypten)
ramadan.hussein[at]uni-tuebingen.de

 

Professor Christian Leitz
Universität Tübingen
Institut für die Kulturen des Alten Orients
Direktor der Abteilung für Ägyptologie
Telefon:  +49 7071 29-78529
christian.leitz[at]uni-tuebingen.de

 

Dr. Matthias Lang
Universität Tübingen 
eScience-Center
Telefon: +49 7071 29-72837
matthias.lang[at]uni-tuebingen.de

 

 

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Antje Karbe
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Klimaerwärmung in der Antarktis: Wie der Zerfall von Eisschelfen den Meeresspiegel beeinflusst

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Ein internationales Forscherteam hat mithilfe einer Reihe von Computersimulationen untersucht, wie stark der Meeresspiegel stiege, wenn Larsen C und George VI, zwei bruchgefährdete Eisschelfe in der Antarktis, tatsächlich zerfallen sollten. Ein Eisschelf ist eine große schwimmende Eisplatte, die von Gletschern oder anderen Eisströmen gespeist wird und mit diesen verbunden ist. Hauptautor der Studie ist Dr. Clemens Schannwell, der die Forschungsarbeiten an der University of Birmingham und dem British Antarctic Survey durchführte und kürzlich an die Universität Tübingen in die Arbeitsgruppe Geodynamik von Professor Todd Ehlers wechselte. Larsen C erregte im vergangenen Sommer große Aufmerksamkeit, als ein eine Billion Tonnen schwerer Eisberg mit der doppelten Fläche von Luxemburg abbrach. Der Zerfall des gesamten Eisschelfs würde allerdings der neuen Studie zufolge nur wenige Millimeter zum Anstieg des Meeresspiegels beitragen. Der Kollaps des kleineren Eisschelfs George VI hätte dagegen viel größere Auswirkungen. Die Forschungsergebnisse werden im Journal der European Geosciences Union The Cryosphere veröffentlicht.

 

Die Klimaerwärmung auf der Antarktischen Halbinsel führte bereits 2002 zum dramatischen Zerfall von Larsen B, einem Eisschelf nördlich von Larsen C. Damals brach fast das gesamte Eisschelf in wenig mehr als zwei Wochen auseinander – nachdem es zuvor über mindestens 10.000 Jahre stabil geblieben war. „Larsen C ist das nördlichste der noch bestehenden Eisschelfe und daher den wärmsten Temperaturen ausgesetzt. Es wäre der wahrscheinlichste Kandidat für einen künftigen Abbruch. George VI befindet sich weiter südwestlich in einem etwas kühleren Klima, ist aber ebenfalls gefährdet“, sagt Clemens Schannwell.

 

Die beiden großen Eisschelfe Larsen C und George VI halten derzeit Binnengletscher zurück. Brächen sie weg, könnte der Eisstrom dieser Gletscher schneller in den Ozean fließen und den Meeresspiegel steigen lassen. In der neuen Studie stellen die Wissenschaftler Computermodellrechnungen an, die die Wechselwirkungen zwischen dem Eisschild der Antarktischen Halbinsel und den Eisschelfen simulierten. Danach würden Binnengletscher beim Zerfall von Larsen C im Jahr 2100 nur ungefähr 2,5 Millimeter und zweihundert Jahre später etwa 4,2 Millimeter zum Anstieg des Meeresspiegels beitragen.

Kleineres Eisschelf, größere Wirkung

„Der Zerfall von George VI würde den Meeresspiegel viel stärker steigen lassen“, sagt Schannwell. Der Simulation zufolge könnte fünf Mal so viel Gletschereis verloren gehen wie bei Larsen C und den Meeresspiegel im Jahr 2100 um acht Millimeter, bis 2300 sogar um 22 Millimeter steigen lassen. George VI liegt eingeklemmt zwischen der Antarktischen Halbinsel auf der einen und der Alexanderinsel auf der anderen Seite. Das Eisschelf misst etwa 24.000 Quadratkilometer und ist damit etwa halb so groß wie Larsen C. Es wird jedoch von größeren Gletschern gespeist, deren Eismassen es bisher sehr effektiv zurückhält.

 

„Diese Zahlen, die an sich nicht so beeindruckend wirken, sind nur ein Teil einer größeren Rechnung. Zum Anstieg des Meeresspiegels kann der Zerfall zahlreicher weiterer Gletscher in der ganzen Welt beitragen sowie auch von Grönland, den ost- und westantarktische Eisschilden. Wenn man die Wassermassen aus all diesen Quellen zusammennimmt, könnten die Auswirkungen für Insel- und Küstenbewohner gravierend sein“, erklärt Nicholas Barrand, ebenfalls Autor der Studie und Glaziologe an der University of Birmingham.

Ein Warnsignal von der Halbinsel für die ganze Antarktis

„Vor unserer Studie wussten wir nicht, was mit dem Eis stromaufwärts der Antarktischen Halbinsel passieren würde, wenn die Schelfe verloren gehen. Nun ist klar, dass dies große Auswirkungen auf die lokale Umwelt wie auch auf den weltweiten Meeresspiegel haben könnte. Diese Informationen sind wichtig, wenn man den Auswirkungen des Klimawandels effizient entgegenwirken will“, sagt Schannwell. In Anbetracht der steigenden Temperaturen, die für das kommende Jahrhundert vorhergesagt werden, sei die Antarktische Halbinsel ein ideales Modell zur Beobachtung der Stabilität der schwimmenden Eisschelfe, sagt Barrand. „Wir sollten die dramatischen Änderungen auf der Antarktischen Halbinsel als Frühwarnindikator sehen für die Fragilität der großen Eisschildsysteme in anderen Teilen der Antarktis, deren Verlust den globalen Meeresspiegel noch sehr viel stärker steigen lassen könnte.“

 

Ausbreitung eines Risses am Eisschelf Larsen C: Dieser Riss führte im vergangenen Jahr zum Abbruch eines Eisbergs mit der doppelten Fläche von Luxemburg – und warf die Frage auf, ob das Eisschelf bei steigenden Temperaturen stabil bleiben wird. Foto: British Antarctic Survey
 

Das Eisschelf George VI bedeckt die Meerenge zwischen der englischen Küste im Süden der Antarktischen Halbinsel und der Alexanderinsel. Die aktuellen Studienergebnisse heben hervor, welch große Bedeutung George VI für die Regulierung des Inlandeises der südlichen Halbinsel und damit auch für den Anstieg des globalen Meeresspiegels hat. Foto: British Antarctic Survey

Publikation:

Clemens Schannwell, Stephen Cornford, David Pollard and Nicholas E. Barrand: Dynamic response of Antarctic Peninsula Ice Sheet to potential collapse of Larsen C and George VI ice shelves. The Cryosphere, 12, 2307–2326, https://doi.org/10.5194/tc-12-2307-2018.

Kontakt:

Clemens Schannwell
Postdoc, University of Tübingen, Germany
(formerly at the University of Birmingham and the British Antarctic Survey, UK)
+49(0)7071 29 73141
clemens.schannwell[at]uni-tuebingen.de

 

Nicholas Barrand
Lecturer in Geosciences, School of Geography, Earth and Environmental Sciences
University of Birmingham, UK
+44 (0)121 414 3103
n.e.barrand[at]bham.ac.uk

Press officers

Bárbara Ferreira
EGU Media and Communications Manager
Munich, Germany
+49-89-2180-6703
media[at]egu.eu

 

Kate Chapple
Media Relations Manager
University of Birmingham
+ 44 (0) 121 414 2772 or + 44 (0) 7789 921164
k.h.chapple[at]bham.ac.uk

 

Athena Dinar
Senior Science Communication Press & PR Manager
British Antarctic Survey
+44 (0) 1223 221441
amdi[at]bas.ac.uk

 

 
Eberhard Karls Universität Tübingen
Hochschulkommunikation
Dr. Karl Guido Rijkhoek
Leitung
 
Janna Eberhardt
Forschungsredakteurin
Telefon +49 7071 29-77853
Telefax +49 7071 29-5566
janna.eberhardt[at]uni-tuebingen.de

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Spurenschadstoffe im Wasser: Welche Klärtechniken Fischen helfen

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Schadstoffe in Flüssen und Seen können selbst in kleinen Spuren eine Gefahr für Wasserorganismen darstellen. Diese Umweltproblematik ist im vergangenen Jahrzehnt stärker ins Bewusstsein der Öffentlichkeit gelangt. Zu den Spurenschadstoffen zählen Rückstände aus im täglichen Leben eingesetzten Chemikalien wie zum Beispiel aus Spültabs, Waschmitteln oder Duschgels ebenso wie aus Medikamenten, Kosmetika oder Pflanzenschutzmitteln. Die Stoffe gelangen über häusliche Abwässer in Kläranlagen, wo sie durch konventionelle Reinigungsmethoden vielfach nicht vollständig zurückgehalten oder abgebaut werden können. Über das gereinigte Abwasser werden sie deshalb in unsere Gewässer eingetragen. Unter der Leitung von Professorin Rita Triebskorn hat eine Gruppe von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern vom Institut für Evolution und Ökologie der Universität Tübingen untersucht, welche Auswirkungen verschiedene Klärtechnologien auf die Gesundheit von Fischen haben. Sie kommen zu dem Ergebnis, dass in Abhängigkeit von der Zusammensetzung des Abwassers im Einzelfall entschieden werden sollte, mit welchen Reinigungstechniken Wasserorganismen nachhaltig geschützt werden können. Ihre Studie wurde im Fachjournal Environmental Sciences Europe veröffentlicht.

 

In konventionellen Kläranlagen durchläuft das Abwasser aus privaten Haushalten und der Industrie mechanische, biologische und chemische Reinigungsstufen. Seit einigen Jahren werden zunehmend zusätzliche Reinigungstechnologien zum Beispiel auf der Basis von Aktivkohle oder Ozonierung als vierter Reinigungsstufe eingesetzt. „Im Rahmen einer Untersuchung am Bodensee konnten wir zeigen, dass sich durch eine zusätzliche Aktivkohlestufe Spurenstoffe effizient entnehmen lassen und dass sich die Gesundheit der Gewässerorganismen im Vorfluter dadurch deutlich verbesserte“, sagt Rita Triebskorn. „Doch bisher gibt es leider immer noch relativ wenige Studien dazu, wie sich die Spurenstoffelimination langfristig auf Gewässerökosysteme auswirkt.“

Standardisierte Versuchsbedingungen

In ihre vergleichende Untersuchung bezogen die Forscher drei konventionelle Kläranlagen ein, von denen eine, das Klärwerk Langwiese auf der Gemarkung Ravensburg, im Studienverlauf zusätzlich mit einer Aktivkohlefilteranlage ausgerüstet wurde. Sie setzten jeweils ober- und unterhalb der Einleitungsstelle der Kläranlage Käfige mit Regenbogenforellen ins Wasser. „Gegenüber der Untersuchung von Wildfischen hat das den Vorteil, dass wir viele Eigenschaften der Fische, wie Alter, Ernährung und Entwicklungsstand, standardisieren können. So lassen sich etwaige Effekte auf die Gesundheit der Tiere klarer erkennen“, sagt die Erstautorin der Studie Sabrina Wilhelm aus dem Forschungsteam. Sie untersuchte mit etablierten Verfahren zum einen, ob die Zellkerne der Regenbogenforellen vermehrt gentoxische Veränderungen aufwiesen. Zum anderen wurde anhand bestimmter Leberwerte der Fische gemessen, ob sie verstärkt Entgiftungsprozesse zum Ab- und Umbau von Spurenstoffen einsetzen mussten.

Von Fall zu Fall entscheiden

„Während wir bei einer der konventionellen Kläranlagen keine negativen Auswirkungen von Spurenschadstoffen auf die Gesundheit der Fische feststellen konnten, waren die kritischen Leberwerte bei den Regenbogenforellen unterhalb der zweiten konventionellen Anlage stark erhöht“, fasst Sabrina Wilhelm die Ergebnisse zusammen. „Auch beim Klärwerk Langwiese haben wir vor der Aufrüstung solche negativen Effekte gemessen.“ Hier habe die Ausstattung der Anlage mit dem zusätzlichen Aktivkohlefilter sowohl die fraglichen Leberwerte der Fische als auch gentoxische Effekte deutlich reduziert.

 

„Die Investitionen in moderne Klärtechniken kommen dem Wasserökosystem vor allem dann zugute, wenn konventionelle Technologien die Schadstoffe nicht ausreichend entfernen“, sagt Rita Triebskorn. „Je nach Zusammensetzung des Abwassers lassen sich jedoch negative Einflüsse auf Wasserlebewesen auch durch eine optimierte konventionelle Reinigung reduzieren.“ Unter dem Strich lohne es, in gute Abwasserreinigung zu investieren, um unsere Umwelt nachhaltig zu schützen.

Regenbogenforelle. Foto: Alexander Elsässer, Universität Tübingen

Versuchskäfig zur Haltung von Regenbogenforellen in den untersuchten Gewässern. Foto: Rita Triebskorn

Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler bei der Probennahme aus dem Fischkäfig. Foto: Rita Triebskorn

Klärwerk Langwiese: Im Vordergrund das Aktivkohle-Reinigungsbecken, das der Kläranlage als vierte Reinigungsstufe hinzugefügt wurde. Foto Rita Triebskorn

Publikation:

Sabrina Wilhelm, Stefanie Jacob, Michael Ziegler, Heinz-R. Köhler, Rita Triebskorn: Which kind of wastewater treatment do we need to avoid genotoxicity and dioxin-like toxicity in effluent-exposed fish?. Environmental Sciences Europe, https://doi.org/10.1186/s12302-018-0154-0.

Kontakt:

Prof. Dr. Rita Triebskorn

Universität Tübingen

Institut für Evolution und Ökologie

Telefon +49 7071 29-78892

rita.triebskorn[at]uni-tuebingen.de

 

 

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Janna Eberhardt
Forschungsredakteurin
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Neue Mitglieder im Universitätsrat

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Der Tübinger Universitätsrat erhält zum 1. Oktober 2018 drei neue Mitglieder. Dem Aufsichts- und Beratungsgremium werden künftig unter anderem der Forschungschef der Robert Bosch GmbH, Michael Bolle, sowie der Schweizer Biologe und ehemalige Präsident der ETH Zürich, Professor Ernst Hafen, angehören. Neues internes Mitglied ist Sandra Kauenhowen, Leiterin der Geschäftsstelle der Tübingen School of Education. Die neuen Mitglieder waren auf Vorschlag einer Findungskommission vom Senat einstimmig gewählt worden. Das baden-württembergische Wissenschaftsministerium hat die Wahl zwischenzeitlich bestätigt. Der neu zusammengesetzte Universitätsrat tritt für eine Amtszeit von drei Jahren an und wird bei seiner konstituierenden Sitzung am 22. Oktober 2018 auch über den Vorsitz des Gremiums entscheiden.

 

Zum 30. September 2018 wird der derzeitige Vorsitzende des Universitätstrats, Professor Antonio Loprieno, nach Erreichen der maximalen Amtszeit von neun Jahren aus dem Gremium ausscheiden. Gleiches gilt für die Mitglieder Professor Andreas Busch von der Shire GmbH Berlin und Dr. Thomas Nielebock vom Institut für Politikwissenschaft. Bereits zum 31. März war Eva Maria Burk als Vertreterin der Studierenden aus dem Universitätsrat ausgeschieden. Für sie war zum 1. April die Promotionsstudentin Alina Stein nachgerückt.

 

Der Universitätsrat besteht aus sieben externen und vier internen Mitgliedern. Er trägt Verantwortung für die Entwicklung der Hochschule und schlägt Maßnahmen zur Profilbildung und Erhöhung der Leistungs- und Wettbewerbsfähigkeit vor. Zudem beaufsichtigt er die Geschäftsführung des Rektorats. www.uni-tuebingen.de/universitaet/organisation-und-leitung/universitaetsrat.html

Zusammensetzung des Gremiums ab 1. Oktober

Externe Mitglieder:

  • Dr. Dr. Saskia Biskup, CeGaT GmbH, Tübingen
  • Dr. Michael Bolle, Bosch-Zentrum für Forschung und Vorausentwicklung, Renningen
  • Professor Dr. Heinrich Bülthoff, Max-Planck-Institut für biologische Kybernetik, Tübingen
  • Professor Dr. Ernst Hafen, ETH Zürich
  • Dr. Ingrid Hamm, Ingrid Hamm Consultants GmbH, Stuttgart
  • Christiane Neumann, Consulting, Berlin
  • Bernhard Sibold, Deutsche Bundesbank, Stuttgart

 
Interne Mitglieder:

  • Professorin Dr. Stefanie Gropper, Philosophische Fakultät
  • Sandra Kauenhowen, Tübingen School of Education
  • Professor Dr. Oliver Kohlbacher, Mathematisch-Naturwissenschaftliche Fakultät
  • Alina Stein, Promotionsstudierende, Universität Tübingen

 

Die neuen Mitglieder:


 

Dr. Michael Bolle ist Chief Digital Officer und Technikgeschäftsführer der Robert Bosch GmbH. In dieser Funktion ist er für den Zentralbereich Forschung und Vorausentwicklung des Unternehmens sowie für den Zentralbereich Informationsverarbeitung (IT), die Tochtergesellschaft Bosch Software Innovations GmbH und die Zentralstelle Koordination Technik und Entwicklungsmethodik zuständig.
 
Er studierte Nachrichtentechnik an der RWTH Aachen und wurde an der Universität Bochum promoviert. 1992 begann er seine Karriere bei Bosch und war unter anderem am Standort Hildesheim Abteilungsleiter der Vorausentwicklung Multimedia. Nach Leitung der Systemonic AG, einer Ausgründung aus der TU Dresden, kehrte er 2003 zu Bosch zurück und war dort für den Firmenableger ADIT sowie den Produktbereich Fahrerinformationssysteme zuständig. Von 2014 bis 2018 leitete er den Forschungsbereich des Unternehmens, das unter anderem einen Forschungscampus in Renningen etablierte: rund 1.700 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter arbeiten hier an neuen Technologien und Materialien.
Foto: Bosch GmbH

 

 
 

Ernst Hafen ist Professor am Institut für Molekulare Systembiologie und Studiendirektor des Departements Biologie der Eidgenössisch Technischen Hochschule (ETH) Zürich. Er studierte am Biozentrum Basel Molekular- und Zellbiologie und promovierte 1983 im Bereich Entwicklungsbiologie. Nach einer Tätigkeit an der University of California in Berkeley (USA) wechselte er 1987 ans Zoologische Institut der Universität Zürich. Dort vertrat er im Universitätsrat die Professorenschaft. Von 2005 bis 2006 war er Präsident der ETH.
 
In seiner Forschung befasst er sich mit Genen, die eine Rolle in Wachstumskontrolle und Stoffwechsel spielen. Hierfür wurde er mehrfach ausgezeichnet, unter anderem mit dem Otto-Naegeli-Preis, dem bedeutendsten Schweizer Preis für medizinische Forschung, und dem Ernst-Jung Preis für Medizin. Seit 2015 ist er Gründer und Präsident der nonprofit MIDATA Genossenschaft, die sich dafür einsetzt, dass Bürger die Kontrolle über ihre persönlichen Daten erhalten, denn er ist überzeugt, dass dies die Basis für personalisierte Medizin und Bildung sowie eine faire digitale Gesellschaft ist. 
Foto: ETH Zürich / Giulia Marthaler
 
 

 

 
Sandra Kauenhowen hat Germanistik, Linguistik und Medienwissenschaft an der Universität Düsseldorf studiert. Sie war als Research Assistentin bei der WestLB Research GmbH Düsseldorf sowie in der Kommunikationsabteilung der QIAGEN GmbH Hilden tätig. Ab 2014 war sie Vorstandsassistentin am Tübinger Hertie Institut für klinische Hirnforschung. 2016 übernahm sie in der Geschäftsstelle der neu gegründeten Tübingen School of Education (TüSE) das Management und unterstützt hier den Vorstand in allen Bereichen.
Foto: Tübingen School of Education
 

 
 
 
Alina Stein ist Promotionsstudentin an der Max Planck Research School in Tübingen. Sie studierte in Bremen Biochemie und Zellbiologie und absolvierte ihren Master im Bereich Pathologie/Virologie an der Universität Cambridge in Großbritannien. Seit 2017 promoviert sie am Max-Planck-Institut für Entwicklungsbiologie. Dort forscht sie an der Kontrolle der Translation, also des Prozesses, in dem Zellen Proteine auf Basis ihrer genetischen Information herstellen. Sie erhielt bereits Stipendien der Konrad-Adenauer-Stiftung, der Studienstiftung des deutschen Volkes, des DAAD und des European Cambridge Trust.
Foto: Friedhelm Albrecht
 

 

Eberhard Karls Universität Tübingen
Hochschulkommunikation
Dr. Karl Guido Rijkhoek
Leitung

Antje Karbe
Pressereferentin
Telefon +49 7071 29-76789
Telefax +49 7071 29-5566
antje.karbe[at]uni-tuebingen.de
 
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Ritzungen auf Mammutrippe aus Welterbe-Höhle geben Rätsel auf

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Pressemitteilung des Urgeschichtlichen Museums Blaubeuren (urmu)

Schon vor mehr als 30.000 Jahren nutzten Menschen die Rippenknochen großer Tiere als Werkzeug – etwa zum Walken von Leder. Da große fetthaltige Knochen aber auch ein guter Ersatz für das in der Eiszeit knappe Brennholz waren, sind solch große Knochen aus dieser Zeit relativ selten erhalten geblieben. Wie Professor Nicholas Conard, Leiter der Abteilung Ältere Urgeschichte und Quartärökologie der Universität Tübingen, und seine Grabungsmannschaft nun im heute erschienen Jahrbuch „Archäologische Ausgrabungen in Baden-Württemberg“ berichten, wurde in der Welterbe-Höhle „Hohle Fels“ auf der Schwäbischen Alb ein Fund geborgen, der neue Interpretationen über die Nutzung solcher Knochen in der Altsteinzeit ermöglicht.

 

Professor Conard präsentierte den eindrucksvollen Fund am Donnerstag bei einer Pressekonferenz im Urgeschichtlichen Museum Blaubeuren (urmu), dessen wissenschaftlicher Direktor Conard ist. Es handelt sich um die Rippe eines Mammuts, die in der Wohnhöhle der Altsteinzeit in den Schichten aus der sogenannten Gravettien-Periode gefunden wurde und somit zwischen 35.000 und 30.000 Jahre alt ist. Das Stück ist 44 Zentimeter lang, bei einer Breite von
5,1 Zentimetern und einer Dicke von 2,1 Zentimetern. Außergewöhnlich sind die Spuren der Bearbeitung, der Nutzung und die Markierungen darauf. Die Enden wurden abgerundet bzw. abgebrochen. Ganz besonders auffällig ist die dickere Kante der Rippe: Sie weist zwei Reihen von Markierungen auf. Eine zeigt 83 und die andere 90 Striche. An anderer Stelle weist die Rippe weitere 13 schwächere und längere Einschnitte auf. All diese Markierungen sind sehr gut erkennbare, saubere Einschnitte, die mit Sicherheit gezielt platziert wurden. Sie unterscheiden sich in Länge und Tiefe und wurden wahrscheinlich nicht in einem Durchgang eingeritzt.

 

„Die entscheidende Frage ist nun, welche Funktion dieser Fund besaß“, sagt Professor Conard, „obwohl viele gravettienzeitliche Funde Markierungen tragen, sind Vergleichsstücke aus Südwestdeutschland selten. Auch in anderen Regionen der Welt gibt es keine optimalen Vergleichsfunde. Wir vermuten stark, dass die Rippe als Informationsträger diente.“ Genau lasse sich nicht sagen, welche Art von Information hier festgehalten wurde. Die Ausgräber vermuten, dass etwas gezählt wurde. „Aber es ist unbekannt, ob es hier um Jagdbeute, Menschen, Tage, Mondzyklen oder etwas anderes ging“, sagt Conard weiter, „eine Art von Kalender ist zwar naheliegend, aber die Zahlen 83, 90 und 13 ergeben für uns kein klares System. Wir werden uns künftig näher mit diesen Fragen auseinandersetzen.“

 

Die Mammutrippe wird nun bis Anfang Januar 2019 im urmu als „Fund des Jahres“ ausgestellt. „Diese Mammutrippe steht in ihrer Interpretation zwischen komplexer symbolischer Bedeutung und einer ganz praktisch orientierten Nutzung im Alltag“, sagt Dr. Stefanie Kölbl, geschäftsführende Direktorin des urmu, „ob wir es hier mit kalendarischen Vermerken, mit Notizstrichen von komplizierten Arbeitsschritten oder mit einem altsteinzeitlichen Spiel zu tun haben, wissen wir nicht. Wir freuen uns aber darauf, mit unseren Besuchern eine spannende Diskussion darüber zu führen, wofür die Reihen aus 13, 83 und 90 Strichen wohl stehen könnten.“ Dr. Kölbl kündigt daher an, vor Ort in der Kabinettausstellung sowie auf Facebook (www.facebook.com/urmu.de) Ideen zu den Ritzungen auf der Rippe zusammenzutragen.

 

Das urmu liegt inmitten der Steinzeithöhlen, die von der UNESCO im Juli 2017 zum Welterbe „Höhlen und Eiszeitkunst der Schwäbischen Alb“ ernannt wurden. Als das Museum für Altsteinzeit in Baden-Württemberg und Forschungsmuseum der Universität Tübingen stellt das urmu das eiszeitliche Leben der Jäger und Sammler am Rand der Schwäbischen Alb vor 40.000 Jahren vor. Prominentestes Exponat ist das Original der „Venus vom Hohle Fels“. (www.urmu.de)

Publikation:

Nicholas J. Conard, Alexander Janas: „Fortsetzung der Ausgrabungen am Hohle Fels und die Entdeckung einer markierten Mammutrippe aus dem Gravettien.“ Archäologische Ausgrabungen in Baden-Württemberg, Juli 2018,
S. 52-55.

Kontakt:

Prof. Nicholas Conard/ Universität Tübingen Abteilung für Ältere Urgeschichte und Quartärökologie und Wissenschaftlicher Direktor Urgeschichtliches Museum Blaubeuren / Telefon +49 7071 29-72416 / nicholas.conard[at]uni-tuebingen.de

 

Dr. Stefanie Kölbl / Geschäftsführende Direktorin Urgeschichtliches Museum Blaubeuren / Telefon +49 7344 9669 911 / koelbl[at]urmu.de

 

Mammutknochen mit Markierungsreihen. Foto: Hilde Jensen | Copyright Universität Tübingen

 

Ritzdetail: Die Striche sind in der Regel sehr gut erkennbare, saubere Einschnitte, die sicherlich gezielt platziert wurden. Foto: Hilde Jensen | Copyright Universität Tübingen

 

Das Knochenartefakt in Fundlage im Hohle Fels. Foto: Alexander Janas | Copyright Universität Tübingen

 

 

Grabungsübersicht im Hohle Fels im Juli 2017. Foto: Nicholas Conard |Copyright Universität Tübingen

  

Hohle Fels bei Schelklingen. Foto: Jens Burkert | Copyright Weltkultursprung

  

Höhlenhalle im Hohle Fels Foto: Jens Burkert | Copyright: Weltkultursprung

 

Pressemitteilung des Urgeschichtlichen Museums Blaubeuren (urmu)

 

Eberhard Karls Universität Tübingen
Hochschulkommunikation
Dr. Karl Guido Rijkhoek
Leitung

Antje Karbe
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Universität Tübingen erklärt Maschinelles Lernen

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Mit einem auch für Laien verständlichen Video macht die Universität Tübingen seit Mittwoch auf die Bedeutung des Forschungsfelds Maschinelles Lernen aufmerksam. „In den vergangenen Monaten hat es zahlreiche Medienberichte über die Entwicklung von Künstlicher Intelligenz und ihres derzeit wichtigsten Teilbereichs, das Maschinelle Lernen, gegeben“, erklärt Professor Matthias Bethge, Inhaber des Lehrstuhls für Computational Neuroscience and Machine Learning an der Universität Tübingen: „Dabei haben wir den Eindruck gewonnen, dass die Öffentlichkeit mehr über die Grundlagen dieses wichtigen Forschungsbereichs erfahren sollte, der eine Schlüsseltechnologie des 21. Jahrhunderts werden wird.“

 

Das rund zweieinhalb Minuten lange Video erklärt mit einfachen erzählerischen und grafischen Mitteln Grundprinzipien des Maschinellen Lernens und zeigt künftige Anwendungsmöglichkeiten etwa in der Industrie oder im medizinischen Bereich auf. „Wir werden in den kommenden Jahrzehnten in immer mehr Arbeits- und Lebensbereichen vor der Situation stehen, dass wir enorme Datenmengen erzeugen“, sagt Andreas Geiger, Professor für Lernbasierte Computer Vision  an der Universität Tübingen. „Diese Datenberge lassen sich nur noch durch lernende IT-Systeme vernünftig auswerten, die im Umgang mit diesen Daten zunehmend klüger werden und so immer präziser arbeiten können.“

 

In dem Video wird nicht verschwiegen, dass Maschinelles Lernen auch für schädliche Ziele eingesetzt werden kann. Denn wie bei anderen bahnbrechenden Technologien zuvor gewinnt die Gesellschaft mit dem Maschinellen Lernen ein Werkzeug, das produktiv oder auch destruktiv eingesetzt werden kann. „Deshalb ist es wichtig, dass die Forschung auf diesem Gebiet von öffentlich finanzierten, unabhängigen und transparenten Institutionen vorangetrieben statt nur nachverfolgt wird”, betont Philipp Hennig, Professor für Methoden des Maschinellen Lernens: „Sorgen um negative Folgen für unsere Gesellschaft müssen wir ernst nehmen und die Studierenden dafür sensibilisieren." 


Professor Bethge ergänzt: „Die Universität ist der ideale Ort, um die Auswirkungen für den einzelnen und die Gesellschaft sowie den Umgang mit der neuen Technologie umfassend zu erforschen. Für dieses Konzept einer ambitionierten und zugleich verantwortungsvollen Grundlagenforschung auf dem Gebiet der Künstlichen Intelligenz und des Maschinellen Lernens steht die Universität Tübingen.“  

Das Video finden Sie unter folgender Webadresse:

www.youtube.com/watch;


Kontakt: 

Professor Matthias Bethge
Universität Tübingen
Computational Neuroscience & Machine Learning
Tel.: + 49 7071 2989017
E-Mail: matthias.bethge[at]uni-tuebingen.de 

 

Dr. Karl G. Rijkhoek
Universität Tübingen
Hochschulkommunikation
Tel.: +49 7071 2976788
E-Mail: karl.rijkhoek[at]uni-tuebingen.de

 

 

 

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